EEE-zu-Kamera-Hack

Traumhaft wäre, man hätte den eigenen Smart-Home-Server schon mit tollen Sensoren ausgestattet, die einem etwa jederzeit die aktuelle Temperatur und Luftfeuchtigkeit im Feriendomizil verraten.

Fernthermo- und -barometer mal anders. Ja, jetzt sind nur 9 Grad, Brrr.

Ist aber nicht, das dauert noch.

Ein Barometer ins Blickfeld der Innenkamera stellen? Geht nicht. Muss ich hier nicht erklären.

Und jetzt?

Es hilft ein kleiner Hardware/Software-Hack der ganz basteligen Art. Von der EEE-Box war hier schon öfter die Rede. Aber kennen Sie auch den EEE-PC?

Ein kleiner Subnotebook aus der Ära der Netbooks, gedacht erst als Billig-Gerät für die Dritte Welt, dann kurz ein Hype-Gadget in Europa und den USA. In den ersten Versionen nur mit 4-GByte-SSD-Festplatte, winzigem Hauptspeicher und ebenso winzigem Display mit so kleiner Auflösung, dass man ans untere Ende von Windows- und Linux-Fenstern nur durch Scrolling mit ganz eigenen Tastenkombinationen kam. Im Original ausgerüstet mit einem speziellen Linux, das rasend schnell veraltete. Aber Skype von Anfang an, deshalb auch eine eingebaute Webcam.

Ein verrücktes Ding, dass aber schnell seine eigene Fan-Gemeinde bekam, die neue Linux-Varianten und sogar Windows XP draufquetschten. Ich habe zwei davon, beide in der sehr sehr frühen, sehr wenig potenten „4G“-Version, also mit der oben beschriebenen Minimal-Ausstattung. Eins hat mir mein Vater geschenkt. Eins habe ich später noch auf E-Bay ergattert – es diente lange Zeit mit einem speziellen Linux und hart eingebundener Riesen-USB-Platte als File-Server im WLAN unseres Stadt-Dominzls. Für das andere habe ich sogar noch einen Akku-Zubehörsatz erworben und eine Weile versucht, das Ding zum Schreiben von Fachbeiträgen im Park etc. zu gebrauchen. Nicht wirklich gut.

Das ist der EEE, der für mich aufs Thermometer schaut.

Aber das Teil ist noch da. Kamera hat es. Das WLAN-Modul ist noch nicht altes Eisen. Gibt es dafür noch ein brauchbares Betriebssystem? Das aktuell aufgespielte Easy-Peasy-Linux – ein Linux-Derivat für Minimal-PCs – ist nicht mehr aktuell genug, um damit ernsthaft etwas anzufangen, und wird auch nicht mehr weiterentwickelt. Immerhin muss ja mindestens Anydesk als Fernsteuersoftware drauf oder irgendwas, was das Ding zur Webcam macht.

Was noch passt, ist „Puppy Linux„. Auch dabei handelt es sich um eine spezielle Betriebssystem-Version für Kleinstrechner. 4 GByte Festplatte reichen, das System kopiert sich sogar nach dem Start direkt ins RAM. Puppy Linux ist kein Derivat einer einzelnen Linux-Version, sondern wird von der Urhebern aus verschiedenen Distributionen auf seinen speziellen Einsatzzweck hin getrimmt. Es gibt also z.B. ein Puppy Linux auf Ubuntu-Basis und eins auf Slackware-Basis, immer wieder auf der Grundlage der aktuellen Varianten.

OK, probieren wir es. Ich kenne Ubuntu ein bisschen, also wähle ich Puppy auf dieser Basis, und zwar auf dem Sockel der „LTS“-Veresion 18.04, die noch eine ganze Weile unterstützt wird. Die Installation auf dem kleinen EEE ging für einen Versuch mit einem neuen System auf eigenwilliger Hardware recht schnell vonstatten. Sagen wir: Frustanfälle abgezogen ca. 3 Stunden. Nein, klar, lohnt sich eigentlich nicht. Aber…

Dann lief es! Nächste Herausforderung: Puppy ist insofern ungewöhnlich, als es als Single-User-System aufgebaut ist und immer mit dem User „Root“ arbeitet. Schlimm? Schlimm. Eine Vergewaltigung des Linux-Konzepts. Aber nicht, wenn man nur schnell etwas ausprobieren lässt und den Client im Netz brav einzäunt. Anydesk allerdings sieht das anders: Das Programm verweigert unter Linux mit Recht (Lob an den Hersteller!) den Start, wenn es ein Root-User aktivieren will.

Aber hier, genau hier, soll es ja anders sein. Alles umsonst? Guter Rat teuer? Nicht teuer. Es sei denn, man zählt verplemperte Recherchezeiten nach möglichem Honorar. Der Erfinder von Puppy, Barry Kauler, sieht es als Kernpunkt seiner Entwicklungsleistung an, seine Linux-Version zu einem einfach einzusetzenden, kostenlosen System für preiswerte Hardware und für Einzel-Anwender („Single User“) hin optimiert zu haben. Auf Anfragen, das gewohnte, sicherheitsorientierte Multi-User-Konzept hinter Linux/Unix wieder auf Puppy anzuwenden, hat er deshalb immer allergisch reagiert – leider finde ich seine originale Auslassung dazu nicht mehr, wohl aber einen passenden Online-Diskussions-Threat.

Was er aber eingebaut hat, sind zwei sehr spezielle User namens „FIDO“ und „spot“, die als Nicht-Root-User fungieren und aufgerufen werden können.

OK. das versteht jetzt wahrscheinlich nicht mehr jeder. Versuchen wir eine Erklärung: Wenn ein Anwender alle Veränderungsrechte an seinem Computer hat, gilt er als „Admin“ oder „Root“. So kann man mit seinem PC permanent arbeiten, das ist sehr bequem. Kapert aber dann jemand den PC zum Beispiel per Virus, kann er alle Rechte des legitimen Nutzers an sich reißen und beispielsweise sehr leicht Daten stehlen oder Sicherheitseinrichtungen abstellen. Deshalb läuft z.B. Windows heute nicht mehr ganz im Admin-Modus, sondern fragt selbst Einzelbesitzer nach einer Bestätigung, wenn es Programme installieren soll. Deshalb nehmen Firmen ihren Angestellten Admin- oder Root-Rechte oft komplett weg. Und deshalb muss man gerade in Linux die entsprechenden Rechte eigentlich immer ganz explizit und aufwändig mit zusätzlichen Kennwörtern anfordern, wenn man Änderungen am System vornehmen will.

Puppy stellt dieses eigentlich konsequente Linux-Konzept auf den Kopf. In einem normalen Linux arbeitet man normalerweise mit eingeschränkten Eingriffsrechten und muss sie erweitern, wenn dies nötig ist. In Puppy aber arbeitet man immer mit vollen Anwendungsrechten, denn Kauler wollte den Puppy-Nutzern das Hin-und-Her mit verschiedenen „Identitäten “ nicht zumuten.

Man kann aber, wenn es denn umbedingt sein muss, Programme in der Maske eines eingeschränkten Anwenders aufrufen:

  • Terminal aufrufen
  • „su spot“ [Enter] eintippen („spot“ ist eine der eingeschränkten Anwenderrollen. Jetzt kommt der nächste Befehl als Befehl eines Nicht-Root-Anwenders)
  • „anydesk“ eintippen, [Enter] drücken.

Geht doch. Noch „Cheese“, das Linux-Kamera-Programm, nachinstallieren und starten. Und schon guckt der PC, wie eingangs gezeigt, auf Wunsch auf auf das Thermometer. Nur für die Eweigkeit ist das nicht gut: zu unsicher!

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